E-Commerce

Gender-Marketing im E-Commerce: Sinnvoll oder verzichtbar?

Die passende Zielgruppenansprache ist besonders im Onlinehandel sehr wichtig. Faktoren wie Alter, Herkunft und Interessen sollten zum jeweiligen Produkt passen. Es liegt auf der Hand, dass auch die Unterschiede zwischen Frauen und Männern einbezogen werden sollten. Marketingstudien beweisen schon lange, dass sich das Einkaufsverhalten von Männern und Frauen zum Teil erheblich unterscheidet. Innerhalb von Familien treffen Frauen oft sogar den Großteil der Kaufentscheidungen. Im E-Commerce stellt sich für Betreiber also die Frage, ob sie Shopdesign, Produktauswahl und Zielgruppenansprache auf Gender-Marketing optimieren sollten.

Worum geht es beim Gender-Marketing?

Allzu oft wird Gender-Marketing auf simple Farbpräferenzen und Klischees reduziert, die zudem längst überholt sind. So tappen noch immer viele Hersteller und Händler in die sogenannte “Rosa-Hellblau-Falle”. Ein Produkt einfach rosa einfärben ist kein Gender-Marketing. Besonders ärgerlich dabei ist, dass sogenannte Frauenprodukte oft teurer sind, obwohl sie sich technisch und qualitativ nicht vom entsprechenden Männerprodukt unterscheiden.

Ein bekanntes Beispiel hierfür sind Damenrasierer, die exakt die gleichen Klingen verwenden wie die Herrenrasierer, aber teurer verkauft werden, weil sie rosa sind. Echtes Gender-Marketing zielt darauf ab, die tatsächlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern zu erkennen und diese zielgruppenorientiert zu erfüllen. Hierbei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die Kaufentscheidungen beeinflussen können.

männer und frauen produkte
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Dazu zählen unter anderem:

  • gesellschaftliche Normen
  • Erziehung
  • Einstellung zu klassischen Rollenbildern
  • Einkommensverhältnisse

Früher war es relativ einfach. Da der Haushalt meist von Frauen geführt wurde, richtete sich die Zielgruppenansprache bei Haushaltsprodukten fast nie an Männer. Werbespots wurden bis in die 1990er hinein entsprechend stereotyp gestaltet. Heute ist eine derartige scharfe Trennung bei Produkten wie Waschmitteln oder Soßenbinder nicht mehr sinnvoll. Bei anderen Produkten bleibt hingegen ein klares Gender-Marketing erhalten. Bartpflegemittel werden an Männer verkauft, Menstruationsprodukte an Frauen. Hinzu kommen Diversitätsaspekte durch die Einbeziehung von Menschen, die sich als nonbinär betrachten. Für den E-Commerce ist es allerdings nicht ganz einfach, Klischee-Fallen zu vermeiden, die mit einer solchen Zielgruppenansprache verbunden sind.

Kaufentscheidungen sind häufig genderspezifisch geprägt

Frauen kaufen wesentlich kritischer ein als Männer, wenn es um bestimmte Produkte geht. Sie vertrauen weniger auf Werbeaussagen und technische Daten als auf Erfahrungsberichte von Freundinnen oder auch Influencerinnen. Männer kaufen eher nach einem klaren Plan, von dem sie sich kaum abbringen lassen. Für das Marketing bedeutet dies, dass das Storytelling zur Zielgruppe passen muss. Dabei werden nicht mehr nur bestimmte Produkte im Shop präsentiert, sondern in einen emotionalen und praktischen Zusammenhang mit dem Alltagsleben der angesprochenen Personen gebracht. Möglichkeiten, das Storytelling umzusetzen, gibt es im E-Commerce reichlich.

Von mitreißenden Produktbeschreibungen auf der Webseite über Tutorials auf YouTube bis hin zu Instagram-Stories gibt es viele Kanäle für Storytelling. Tatsächlich bestätigen Marktforschungsinstitute dabei einige der Klischees, die in den Köpfen vorherrschen. So sollen Männer angeblich eher nach sachbezogenen Fakten suchen, während Frauen sich von der Einkaufswelt an sich inspirieren lassen. Es mag sein, dass dies die Fortsetzung des klassischen Shopping-Trips im Einkaufszentrum im digitalen Raum ist.

gender kaufentscheidung
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Viele Männer gehen nur dann einkaufen, wenn sie unbedingt müssen und bummeln eher nicht ziellos durch die Ladenpassagen. Sie wollen ihre Einkaufsliste so schnell und so linear wie möglich abhaken. Für Frauen ist Shoppen hingegen oft mehr als nur reines Einkaufen. Schon der Entscheidungsprozess verläuft beim weiblichen Zielpublikum wesentlich komplexer, da die Kaufkriterien häufig angepasst werden. Ein solches Einkaufserlebnis zu optimieren, ist Teil des Gender-Marketings im E-Commerce.

Produktdarstellung und Vertrauen erwecken

Um das Shoppingerlebnis auch online zu reproduzieren, stellt sich der E-Commerce bei der Produktdarstellung immer häufiger auf geschlechtsspezifische Ansprache ein. Während Männer sich eher direkt für die angebotenen Objekte interessieren und weniger Wert auf das Drumherum legen, ist die Präsentation bei Frauen im Kontext bestimmter Alltagssituationen oder mit Menschen erfolgreicher. Präsentationen mit 360-Grad-Darstellungen oder Produktvideos erleichtern insbesondere bei Kleidung die Kaufentscheidung. Ein weiterer Faktor ist der Vertrauensaufbau. Männer neigen eher dazu, online einzukaufen, weil sie kein großes Risiko beim Online-Handel sehen. Frauen sind hier deutlich kritischer. Dennoch nutzen beide Geschlechter objektive Bewertungen anderer Kunden, um ihre Kaufentscheidung zu treffen.

Die Grenze zur Diskriminierung ist schnell überschritten

Bei der Zielausrichtung sollten Betreiber von Onlineshops die feinen Unterschiede in der Zielgruppenansprache durchaus berücksichtigen. Gender-Marketing kann sich allerdings schnell als Bumerang erweisen, wenn dabei die Grenze zur Diskriminierung überschritten wird. Zu beachten ist außerdem, dass sich nicht alle Menschen eindeutig einem bestimmten Geschlecht zugehörig fühlen. Diese sollten durch eine allzu strikte Gender-Ausrichtung nicht ausgeschlossen werden. Ein absolutes No-Go sind überdies sexistische Werbeaussagen, die sich insbesondere bei Produkten für Männer immer wieder einschleichen.

Einen Sportwagen mit leicht bekleideten Frauen im Hintergrund zu bewerben, ist ebenso unsensibel wie die Vorstellung, dass Frauen nur praktische Kombis und Minivans mit Kindersitz fahren. Alle Produkte und Dienstleistungen, die für beide Geschlechter in Frage kommen, eignen sich grundsätzlich für eine inklusive Zielgruppenansprache. Das bedeutet allerdings nicht, dass man auf Gender-Marketing im Detail verzichten muss. Schon die farbliche und strukturelle Gestaltung des Onlineshops kann Auswirkungen darauf haben, welches Geschlecht man primär anspricht. Der Verzicht auf Stereotypen und überholte Rollenklischees ist im E-Commerce aber mindestens ebenso wichtig.