In manchen Kneipen lebt ein kleines Stück Analog-Romantik weiter, der Bierdeckel. Er ist oft der schnellste Weg, um Getränke mitzuzählen, gerade wenn es voll wird und mehrere Runden parallel laufen. Der Bierdeckel ist damit der kleinste Controller der Gastronomie. Sobald auf ihm der Konsum notiert wird, ist er nicht mehr nur Untersetzer, sondern ein echtes Dokument. Als Merkhilfe ist der Bierdeckel völlig okay, als Ersatz für eine ordentliche Kassenführung taugt er allerdings nur begrenzt.
Der Bierdeckel: Rechtlich zulässig, aber nicht beliebig
Eine Abrechnung per Bierdeckel ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Wird darauf dokumentiert, welche Getränke konsumiert wurden, kann der Deckel als Urkunde gelten und damit als Beweismittel taugen. Daraus folgt ein einfacher Grundsatz, denn nachträgliche Änderungen sind heikel. Fehlt ein Strich oder ist ein Strich zu viel, ist das kein Bereich für stille Korrekturen. Sinnvoll sind klare Zeichen und allgemein verständliche Kürzel, damit sofort klar ist, was gemeint ist. Auch der Zeitpunkt zählt.
Eintragungen wirken am überzeugendsten, wenn sie direkt beim Servieren erfolgen, nicht später aus dem Gedächtnis. Spätere Rekonstruktionen sind wie schlechtes Karaoke, laut, selbstbewusst, aber selten treffsicher. Als Träger reicht übrigens nicht nur der Bierdeckel, auch ein Zettel oder ein Bon kann diese Rolle übernehmen, wenn er zur Abrechnung genutzt wird.
Verständlichkeit ist die halbe Miete
Ein Strich kann ein Bier sein, er kann aber auch ein Radler oder ein Longdrink sein. Ohne gemeinsame Logik wird aus der Abrechnung schnell ein Ratespiel. Darum helfen feste Kürzel, getrennte Deckel pro Getränkekategorie oder ein kurzer Blickkontakt beim Markieren. Das klingt kleinlich, spart aber Diskussionen.
Wenn es Streit gibt, hilft Pappe nur begrenzt
Der Bierdeckel löst nicht jedes Problem. Wird die Anzahl angezweifelt, endet der Abend schnell in der klassischen Disziplin Aussage gegen Aussage. Genau deshalb lohnt Transparenz. Den Deckel sichtbar führen, bei jeder Runde markieren, Unklarheiten sofort klären. Je später diskutiert wird, desto mehr werden Erinnerungslücken zu Argumenten. Der Bierdeckel ist dann nicht mehr Zählhilfe, sondern Streitobjekt in Pappform.
Abrechnung mit Bierdeckel: Nicht radieren, nicht zerreißen, nicht verschwinden lassen
Weil der Bierdeckel als Urkunde gelten kann, sollte er nicht einseitig verändert oder beseitigt werden. Wer eine echte Urkunde verfälscht, bewegt sich grundsätzlich im Bereich der Urkundenfälschung nach § 267 StGB. Wer eine Urkunde vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, kann in Richtung § 274 StGB gehen. Beide Delikte haben einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. In der Realität führt ein Kneipendisput selten zu einem Strafverfahren. Als Grundsatz für die Praxis taugt es trotzdem. Wenn etwas nicht stimmt, wird es offen geklärt, bevor nachgetragen oder gestrichen wird. Und der Deckel bleibt bis zum Bezahlen dort, wo er hingehört.

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Praktische Regeln, die fast alles entschärfen
Ein gutes Deckel-System ist vor allem konsequent:
- eindeutige Zeichen nutzen, ein Symbol pro Getränk
- Zuordnung notieren, etwa Name oder Tischnummer
- Strich zeitnah setzen, nicht erst beim Zusammenrechnen
- Nachträge nur nach Klärung, lieber kurz fragen als still ergänzen
- Deckel geschützt ablegen, damit nichts verwischt oder verloren geht
- am Ende sauber übertragen, damit die Zahlung und Verbuchung zusammenpassen
- Kasse, Aufzeichnung und die Welt jenseits des Tresens
Der Bierdeckel ersetzt keine ordnungsgemäße Kassenführung. Selbst bei einer offenen Ladenkasse müssen die Einnahmen und Ausgaben einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufgezeichnet werden. Das spätere Sammeln und dann irgendwann Nachtragen ist unzulässig. Außerdem muss die Kasse kassensturzfähig sein, also so geführt werden, dass der Sollbestand und Istbestand vergleichbar sind. Eine Kassen-Nachschau kann unangekündigt erfolgen. Der Bierdeckel ist in diesem Bild höchstens die Zählhilfe. Entscheidend ist, dass der Umsatz am Ende korrekt in Kassenbericht, Kassenbuch oder elektronischer Kasse landet, und zwar zeitnah.
Bonpflicht, TSE und wo der Bierdeckel endet
Sobald ein elektronisches Aufzeichnungssystem genutzt wird, greifen zusätzliche Pflichten. Seit 1. Januar 2020 sollen elektronische Systeme durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) gegen Manipulationen abgesichert werden. Zudem ist bei elektronischen Systemen ein Beleg zu erstellen und dem Kunden oder Gast zur Verfügung zu stellen. Mitnehmen muss ihn niemand, aber anbieten muss man ihn. Belege dürfen dabei auch elektronisch bereitgestellt werden. Für die offene Ladenkasse gilt diese Belegausgabepflicht nicht. Das Bundesfinanzministerium betont zudem, dass es keine Registrierkassenpflicht gibt. Eine offene Ladenkasse ist also möglich, nur eben nicht ohne saubere Aufzeichnungen.
Rechnung und Quittung – wo der Bierdeckel nicht reicht
Im Alltag wird der Bierdeckel gern als Rechnung bezeichnet. Für eine formale Rechnung, etwa für eine Firmenabrechnung, reicht er aber meist nicht aus. In solchen Fällen entsteht die Quittung oder der Kassenbeleg über die Kasse. Der Bierdeckel bleibt dann der praktische Begleiter, damit beim Bezahlen nichts fehlt. Die Pappe hilft beim Zählen, die Kasse hilft beim Nachweisen.
Tradition ist erlaubt, Ordnung bleibt Pflicht
Die Bierdeckel-Abrechnung ist kein Relikt von früher, sondern ein praktisches Werkzeug. Sie funktioniert gut, wenn der Deckel verständlich geführt, nicht nachträglich manipuliert und bis zur Abrechnung aufbewahrt wird. Allerdings entscheidet die Kassenführung darüber, ob alles sauber dokumentiert ist. Wer beides zusammenbringt, hat weniger Diskussionen am Tisch und weniger Stress, falls irgendwann ein Prüfer Fragen stellt.